Geschlechterrollen

und ihre Klischees…

Ein Artikel von Stephanie Rother, Unternehmerin und Mentorin für Gründermoms.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Schwangerschaft. Voller Gefühle und überschwemmt von Hormonen, glitt ich in eine neue Welt hinein.

Der erste gravierende Einschnitt, ergab sich mit Bekanntmachung meiner Empfängnis. Plötzlich wurde ich im Plural angesprochen, bestenfalls, denn oft fragte man mich auch schlicht nur, wie es ‚dem Baby‘ gehe.

Menschen die mir körperlich nicht nahe standen, strichen mir quietschend über den Bauch, Fremde strahlten mich an und Mütter lächelten mir tröstend zu.

Und während ich versuchte all die Veränderungen, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, anzunehmen, bestenfalls zu genießen, rutsche ich mit Eintritt in die zweite Schwangerschaftshälfte auch schon in die Distanzlosigkeit für Fortgeschrittene: was wird es denn?
Tja und diese Frage stellte ich mir tatsächlich zunehmend auch: was wird es denn? Wird es laut? Wird es leise? Wird es schwer? Wird es zart? Wird es trinken? Wird es mich mögen? Wird das alles funktionieren?

Die Frage des Geschlechts, spielte für mich eine derart untergeordnete Rolle und das nicht mal aufgrund eines romantischen ‚Hauptsache gesund‘ Gedanken, sondern vielmehr gestützt auf die Pragmatik und das Vertrauen, dass es wohl ein Kind wird.

Nachdem die Zeit erst viel zu langsam und letztlich viel zu schnell verstrich, war es dann da – das Kind.

Clara. Meine Tochter. Meine Tochter, die mich übermannte, mich einnahm, meine Welt auf den Kopf stellte und nie wieder zurück. Clara, die mich so viel lehrte, wie mein ganzes Leben zuvor noch nicht. Mein Vokabular erweiterte sich um nie dagewesene Laute in heller Stimme und um das Wort ‚neutral‘. Ich hatte eine Tochter geboren, die nicht zwingend wie ein Bonbon aussehen musste. Und, Achtung Spoiler, kaum das man ein Kind geboren hat, stellt sich, für die Außenwelt, auch schon die Frage nach ‚dem nächsten‘.

‚Ein Pärchen wäre doch toll‘. Vokabularerweiterung: check.

Flexibel wie ich bin, gebar ich also, zur Freude aller, das Gegenstück zum Kinde, kannte bereits alle Fragen, Ratschläge, Voraussagen und Mahnungen, lernte neue Dimensionen von Liebe kennen, sowie alle marktführenden Concealer schätzen und gerade als ich dachte mich in allen Belangen einen Profi nennen zu können, spiegelte das geborene Pärchen mir die Gesellschaft.

Clara hat aber kurze Haare für ein Mädchen.
Warum trägt Caspar so oft pink?
Clara ist sehr körperlich und burschikos.
Caspar ist sehr introvertiert und zart für einen Jungen.
Clara zeigt reges Interesse für Handwerk, aber auch Fußball und ist körperlich sehr agil.
Caspar ist sehr musisch und sanftmütig.

Zwischen Geburt und der Wertung meiner Kinder liegen nun einige Jahre und noch mehr Geschichten, die den Hauch von Zauber wohl zerstören würden. Unabhängig ihres Geschlechts, bewegen meine Kinder sich von Anbeginn an in gesellschaftlich eher untypischen Rollen und ich beneide und bewundere sie für die Freiheit, dass tun zu können.

Auf die Frage, was sie mal werden wolle, antwortete meine Tochter kürzlich: das weiß ich noch nicht, aber ich kann alles sein, was ich möchte!

Unsere Aufgabe, im Leben unserer Kinder, besteht darin sie wachsen zu lassen, ohne zu ziehen, sie zu bestärken, ohne zu drücken, sie zu begleiten, ohne zu klammern. Wir befinden uns in einer stetigen Berg- und Talfahrt. Geprägt von den Werten der eigenen Kindheit und gepusht von den Ansprüchen unserer selbst, versuchen wir vernünftige Menschen groß werden zu lassen und stoßen dabei mehr als wir zuvor erahnen könnten an unsere Grenzen.

Und zwischen all diesen Höhen und Tiefen, gilt es nie den eigenen Kampf in der Welt zu vergessen und unseren Kindern unseren Weg zu ebnen, indem wir ihnen aufzeigen und vorleben, wie die Welt sein kann.

Clara möchte oftmals ein Junge sein und Caspar Nagellack tragen.
Clara weiß jetzt schon, dass sie mal was spannendes arbeiten möchte und Caspar möchte, wenn er groß ist, immer für die Familie kochen.

Wir lesen Bücher von Jungs in Tutu‘s und Familien die zwei Papa‘s haben. Von Feuerwehrfrauen und Prinzessinnen die keinen Prinz heiraten möchten. Vom mutig sein und davon die Welt erobern zu können – denn nichts weniger als das ist es doch, dass wir unseren Kindern wünschen.

Meine Aufgabe sehe ich darin, sie nicht in vorgefertigte Erwartungen der Gesellschaft zu drängen, um sie angepasster zu wissen.

Die Aufgabe meiner Kinder besteht nicht darin angepasst, süß, verständig und leise zu sein.

Sie dürfen laut sein. Fröhlich. Wütend. Unangepasst. Wild. Frei.

Und ich wünsche mir sehr für sie, dass sie die nötige Stärke und Stabilität haben, das für immer zu bleiben.

Stephanie Rother, meines Zeichens Mentorin für Gründerinnen, trage meine Haare seit jeher kurz, bin eher Typ Elefant als Porzellan, lebe glücklich, zufrieden und völlig unabhängig in einer strikt gleichberechtigten Partnerschaft.